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INTERVIEW: ANDREA BÜTTNER UND KLAUS LEDERER

Ein Gespräch über Mieten, Schönheit, Kunst und linke Politik.

  • Jan 18 2021
  • Andrea Büttner, Klaus Lederer, Kolja Reichert
    Andrea Büttner, geboren 1972 in Stuttgart, macht Holzschnitte, Glasmalereien, Skulpturen, Videoarbeiten und Performances. Ihre Arbeiten entstehen aus einer fortwährenden wechselseitigen Befragung sozialer Themen und der Kunstgeschichte. Soeben ist ihre Dissertation “Shame” bei Koenig Books erschienen.

    Klaus Lederer, geboren 1974 in Schwerin, ist Jurist und wurde 2004 mit einer Dissertation über Privatisierung im Wassersektor promoviert. 2007 bis 2016 war er Berliner Landesvorsitzender der Partei Die Linke. Seit 2016 ist er Senator für Kultur und Europa und Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters von Berlin.

    Kolja Reichert ist Kunstkritiker und war bis September 2020 Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Jede Berliner Künstlerin hat heute Angst ihr Atelier zu verlieren, selbst besserverdienende wie Andrea Büttner. Sie würde gerne mal mit Kultursenator Klaus Lederer sprechen, sagte sie uns. Kolja Reichert stellte die beiden einander vor.

 

Photo: Omri Livne

 

Andrea Büttner: Ich will von meiner Situation erzählen. Ich bin aus London nach Frankfurt und dann hierher gezogen. Ich habe mein Atelier in der Kurfürstenstraße. In den letzten drei Jahren hat sich die Miete in der Gegend verdoppelt, und sie wird sich in den nächsten drei Jahren noch mal verdoppeln. Ich denke, dass Künstler, die nicht in die Richtlinien des Förderprogramms fallen, sich keine Räume mehr werden leisten können. Ich habe das Glück, eine Professur zu haben. Trotzdem kann ich mit Start-ups irgendwann nicht mehr mithalten und liege nachts wach aus Angst, dass ich weg muss. An wen kann ich mich wenden? Das Atelierbüro sagt, es sei für Künstler mit meinem Einkommen nicht zuständig.

Klaus Lederer: Wir planen gerade ein zweites Förderprogramm für Ateliers.

Ich habe schon mit Deinem Kollegen telefoniert, der hat mir erklärt, dass sich das wie bisher nur an Künstler bis zu einer gewissen Einkommensgrenze richtet. Für Künstler wie mich – und ich kenne viele, denen es so geht – gibt es keine Möglichkeit, in städtischen Immobilien Arbeitsräume zu bekommen. Das heißt, unsere Produktionsgrundlage wird wegbrechen. Berlin hat sich immer mit den Federn der Kunst geschmückt. Es ist klar, dass das gerade im Kippen ist.

Das ist so. Mich interessiert Stadtmarketing da überhaupt nicht. Ich stelle mir die Frage, warum nicht schon früher angefangen worden ist, in der Kulturverwaltung Kompetenzen aufzubauen, die explizit dem Zweck dienen, existierende Räume der Kapitalverwertung zu entziehen. Ich denke Kulturpolitik als Infrastrukturpolitik. Seit zwei Jahren gibt es nun ein Referat Liegenschaften, dessen Zweck darin besteht, aus existierenden Immobilien Orte der Kunstproduktion zu machen.

Es wird also mehr Orte geben für Kunst?

In der Koalitionsvereinbarung steht das Ziel von mindestens 2000 Arbeitsräumen für Kulturschaffende für diese Legislaturperiode. Wir haben bei um die 600 angefangen und sind am Ende vermutlich bei 1750. 500 weitere sind so weit in der Entwicklung, dass sie definitiv entstehen werden. Mein Ziel wäre, sich für die nächste Legislaturperiode noch mal ehrgeizige 1000 zusätzliche Arbeitsräume vorzunehmen.

Kolja Reichert: Womit Ihr mühsam den historischen Fehler korrigiert, dass Eure Partei in den nuller Jahren die Privatisierung von über 100.000 landeseigenen Wohnungen mitgetragen hat, was die Spekulation und die Mietsteigerung entscheidend angeheizt hat.

Das passierte mit einer Schlinge um den Hals, weil Berlin seit Anfang der neunziger Jahre jedes Jahr Milliarden mehr ausgegeben als eingenommen hat. Nach den Ablehnungen der Bundeshilfen hätte der Stadt der Zinskollaps gedroht. Die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften waren überschuldet. Die Insolvenz wäre auch keine Alternative gewesen. Ich frage mich bis heute, welche andere Chance es gegeben hätte, wenn du die Einnahmespirale mit entsprechender stärkerer Besteuerung größerer Vermögen nicht anfassen kannst, weil das alles auf Bundesebene entschieden wird. Aus meiner Sicht fing der historische Fehler an, als sich 2008/2009 die Finanzsituation der Stadt gebessert hat, Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen waren, sogar Überschüsse erwirtschaftet wurden und nicht sofort begonnen wurde, eine offensive Flächensicherung per Einkaufspolitik zu betreiben. Wir haben bis 2016 sieben Jahre verloren, in denen Anleger nach der Finanz- und Wirtschaftskrise Berliner Betongold eine wertvollere Anlage fanden als Leerverkäufe oder drittklassige Hypothekenbündel. Ich konnte halt auch erst 2016 damit anfangen.

Um wieviel sind die Sachen jetzt teurer?

Ein vielfaches.

Und gegen welche Widerstände kämpft Ihr jetzt?

Es geht nicht nur um den Ankauf von Liegenschaften, es geht vor allem erst mal darum, der Kultur eine Stimme in den Gremien zu verschaffen, die über die Nutzung von Liegenschaften entscheiden. Das ist die Berliner Immobilien Management GmbH. Beispielsweise zieht die Hochschule für Schauspielkunst aus der Schnellerstraße in Niederschöneweide aus, weil sie in Mitte ein neues Domizil bekommt. Es war ein harter Kampf mit der Wissenschaftssenatsverwaltung, die dort gerne studentisches Wohnen gemacht hätte, die Liegenschaft der Kulturverwaltung zu überschreiben, um ein Probezentrum der freien und darstellenden Künste zu entwickeln. Wir haben das Radialsystem vom Markt zurückgekauft. Wir haben die Universal Hall von den Berliner Wasserbetrieben gekauft und da werden vermutlich Möglichkeiten für den Tanz geschaffen. Wir haben im vergangenen Jahr ein Haus mit Atelierwohnungen in Neukölln eröffnet, das von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“ errichtet worden ist. Wir haben das Haus der Statistik, die Alte Münze mit Schwerpunkt auf Neuer und zeitgenössischer Musik, wir wollen die Clubnutzung am Dragonerareal sichern. Wir reden in sechzehn neu entstehenden Stadtquartieren über die Frage, ob nicht Atelier-Wohnungen als ganz normales Angebot der Wohnungsbaugesellschaften mitgedacht werden können. Im neuen Quartier am Molkenmarkt zum Beispiel würden wir gerne in den Erdgeschossen künstlerische Nutzungen einplanen. Das sind jetzt nur die Orte in der Innenstadt. Ich finde, dass man auch die Quartiere jenseits des S-Bahnrings mitdenken muss. Auch dort gehört das Nebeneinander von Kunst und anderen Produktionsformen hin und das Teilhaben an Kultur. Vor allem das Interagieren von Menschen, die unterschiedlichen sozialen Verhältnissen entstammen. Wir leben in einer Welt, in der sich durch Kapitalverwertungsprozesse die ganze Stadt zunehmend in unterschiedliche Lebensrealitäten segmentiert. Auch da muss Stadtentwicklungspolitik immer auch Kulturpolitik sein.

 

Klaus Lederer, Kolja Reichert and Andrea Büttner, photo Omri Livne

 

Ich höre in den letzten Jahren oft den Begriff der „freien Szene“. Der stammt, glaube ich, aus dem Theater oder der Musik, als Gegensatz zu den Festangestellten. Dieser Begriff lässt sich meiner Meinung nach überhaupt nicht auf die Bildende Kunst übertragen, weil wir alle „frei“ sind und eigentlich auch keine Szene, wir arbeiten ja meistens allein im Atelier. Außerdem schwingt immer das romantische Künstlerbild mit, dass Künstler arm sein müssen. Der Begriff der Kunstszene macht keinen Sinn, wird aber verwendet, um Politik zu machen, und Marketing. Warum, denkst Du, hat sich gerade Bildende Kunst in den neunziger Jahren so gut für City-Marketing geeignet?

Ich glaube nicht, dass City-Marketing explizit mit der Kunst im Zusammenhang steht. Es ist eher der historische Zufall, dass es nach dem Einreißen der Berliner Mauer durch die Ostberliner lange einen Raum gab, in dem jeder und jede relativ unbeeindruckt von sozialen Abstiegsängsten künstlerisch tätig werden konnte. Da ist dieser Mythos der kreativen Stadt entstanden, der sich bis heute hält. Dann kam mit Hartz IV der verschärfte Selbst-Inwertsetzungs-Druck, die eigene Arbeitskraft an den Markt zu tragen, was dazu führte, dass alle, die nicht in klassischen Normalarbeitsverhältnissen lebten, plötzlich nicht mehr ohne weiteres in der Lage waren zu tun was sie für richtig hielten. Die zweite Welle war die Inwertsetzung des Grundes und Bodens der Stadt, die bis heute nicht abgeschlossen ist und der wir mit Dingen mit dem Mietendeckel begegnen. Leider können wir keinen Gewerbe- Mietendeckel machen, aber zumindest besteht inzwischen der Wille, Vorkaufsrechte zu nutzen, um dem was entgegen zu setzen.

Nimmst Du wahr, dass junge, internationale, spannende Künstler eher nach Lissabon oder Brüssel gehen als nach Berlin? Eine Zeit lang war es Los Angeles.

Ich kann total nachvollziehen, dass sich in den vergangenen Jahren die sozialen Bedingungen zur Produktion von Kunst hier trotz aller Bemühungen eher verschlechtert als verbessert haben.

Wie passt Dein Desinteresse an City-Marketing zusammen mit Deiner Unterstützung für die von Karen und Christian Boros organisierte „Studio Berlin“-Ausstellung im Berghain mit 250.000 Euro?

Wir haben in diesem Jahr 60 Millionen Euro für private Kulturbetriebe ausgegeben, 60 Millionen zur Stützung der öffentlichen Kulturinstitutionen, einen dreistelligen Millionenbetrag für Solo-Selbstständige, Freiberufler und Freiberuflerinnen im März. Jetzt haben wir 18 Millionen für Stipendien ausgegeben. Im Vergleich dazu ist das ein extrem geringer Betrag. Natürlich gibt es auch einen Marketingeffekt für die Boros Foundation, andererseits besteht die Ausstellung nicht aus Werken der Boros Foundation, sondern bildet die Vielfalt dieser Stadt ab. Wir wollen übrigens versuchen, manches Ergebnis aus den 2000 neuen Stipendien im nächsten Sommer im geschlossenen Flughafen Tegel zu präsentieren.

Ich will noch mal die Bedrohlichkeit der Situation klarmachen. Berlin wird bald für Künstler einfach nicht mehr interessant sein. Es gibt in der Stadt keine Ansprechpartner für alle, die eine gewisse Einkommensgrenze überschreiten, und keine Förderung.

Wie sollte die denn aussehen?

Man könnte etwa im neuen Atelier-Förderprogramm in einer anderen Weise über Gerechtigkeit nachdenken: nicht mit einer starren Obergrenze, sondern indem man die Miete ans Einkommen koppelt. Das heißt, jeder kann sich auf einen Arbeitsraum bewerben, und zahlt dann wie er kann. Es muss auch für Künstler wie mich eine kulturelle Förderung geben, um in der Stadt zu arbeiten, auch in der Innenstadt. Es ist was anderes, in London an den Stadtrand zu ziehen als in Berlin, das ist in solchen Metropolen auch eine andere Soziokultur als hier.

Ich kann nur begrenzt bestimmen, was in der Innenstadt passiert, wo alles in Wert gesetzt worden ist. Da kann ich leider nicht enteignen. We call it capitalism. Deswegen ist der Fokus auch auf außerhalb des S-Bahnrings. Es gibt eine bedauerliche Situation beim Weiterentwickeln am Stadtrand: Es dauert. Vermutlich werde ich lange in Rente sein, wenn die ersten Hütten stehen.

Wir sind dann auch nicht mehr da.

Wenn ich geahnt hätte, dass 2016 meine Amtszeit beginnt, hätte ich schon 2007/2008 angefangen alles vorzubereiten.

Klaus, Du hattest ja auch Fragen an Andrea.

Was treibt dich an, Andrea?

Ich glaube, die Suche nach Wahrheit und Schönheit. Nach Genauigkeit. Und dass ich gerne körperlich arbeite und in der Kunst das Arbeiten mit dem Körper zugleich eine philosophische Praxis ist, Dingen auf den Grund zu gehen. Auch, dass mich vieles aufregt und ich es nicht verstehe.

Als ich Dein Buch „Beggars“ bekam, habe ich natürlich sofort an die Beggar‘s Opera gedacht. Und dass es Brecht so wichtig war, sich mit Kunst zur gesellschaftlichen Situation, in der er lebte, in Beziehung zu setzen: Es ist eine Oper, die sich auch Bettler leisten können sollen. Wie kommst Du zu Deinen Sujets? Und welche Rolle spielt die Frage der sozialen Zustände in deiner Kunst?

Ikonologisches Arbeiten und der Reichtum der Kunstgeschichte spielen für das Finden meiner Sujets eine große Rolle. Bildern auf den Grund zu gehen, ähnlich wie Warburg. Ich habe seit den neunziger Jahren über Scham im Verhältnis zum Kunstmachen nachgedacht, weil ich denke, eins der wichtigsten Gefühle für das Kunstmachen ist das Schamgefühl. Weil man das, was einen wirklich beschäftigt, in der Öffentlichkeit einem ästhetischen Urteil aussetzt. Und wenn ich die anderen BetrachterInnen und mich in meiner Suche ernst nehme, dann bin ich dabei ungeschützt. Dann ist Armut ein Grund für Scham in unserer Gesellschaft. Armut könnte ein Grund für ganz andere Gefühle sein, Wut zum Beispiel. So bin ich darauf gekommen, mich mit Armut zu beschäftigen, auch weil mich interessiert hat, dass es in der Kunstgeschichte positive Vorstellungen von freiwilliger Armut gibt, nämlich in der Arte Povera, aber auch in monastischen Bewegungen. Dass also genau das, wofür wir uns schämen sollen, für Menschen auch eine positive Wahl sein kann.

 


“Stadtentwicklungspolitik muss immer auch Kulturpolitik sein."


 

Konntest Du schon die Ausstellung von Aby Warburgs Mnemosyne-Atlas im HKW sehen?

Ja, ich kenne den auch gut. In meinem Buch gibt es auch eine Serie von Bettlerdarstellungen aus dem Warburg-Institut. Ich finde, es ist eine zutiefst problematische Ausstellung. Es gibt da eine Appropriation jüdischer Exilkultur in Berlin, die nicht wirklich thematisiert wird, und eine Auratisierung, die meiner Meinung nach nicht dem gerecht wird, dass die Bilder im Mnemosyne-Atlas nicht zum Ausstellen sind, sondern Teil einer Praxis.

Zumal der Atlas ja nie fertig sein sollte.

Genau. Das Warburg-Institut in London ist ein wunderbares Bildarchiv, und auch ein lebendes, es werden immer noch Bilder eingespeist.

Ist Kunst für Dich politisch?

Muss Kunst politisch sein?

Ich finde nein.

Ich habe in den neunziger Jahren studiert, da war die Institutionskritik total wichtig, auch für mich. Da wurde ununterbrochen gefragt: „Wie legitimierst du deine künstlerische Praxis?“. Ich fand, dass in dieser Frage immer ein unheimlicher Druck steckt, dass Kunst auf eine bestimmte Weise zu agieren hat. Ad Reinhardt, der Marxist war und politische Cartoons und abstrakte Malerei gemacht hat, hat gesagt: „Art is art, and everything else is everything else“. Ich glaube, da ist viel Wahres drin. Zugleich geht es mir in meiner Kunst auch um eine politische Agenda. Innerhalb der Möglichkeit, dass Kunst wirklich das Idiosynkratischste und Privateste und Bedeutungsloseste sein darf.

Das ist etwas, das mich sehr beschäftigt, deshalb wollte ich dir als Künstlerin mal diese Frage stellen.

Viel Kunst muss gerade politisch sein. Auch linke Kunstpolitik orientiert sich an Identitätsdiskursen in der Kunst. Ich finde das hochproblematisch, weil das zum Teil nicht Kunst, sondern Kitsch erzeugt. Ich denke, die Bildende Kunst ist eigentlich die intellektuellste der Künste. Die Musik gibt dir einen Zeitraum vor, das Lesen auch. Die Kunst wirft dich in eine große Unsicherheit. Du weißt noch nicht mal, wie lange du ein Bild anschauen musst. Du bist wirklich nur du: Das spricht zu mir oder nicht. Ich bleibe da oder gehe weiter. Du spürst eigentlich nur dich als denkenden und fühlenden und sozialen Körper.

Ich habe es im Deutschunterricht immer gehasst, wenn wir Literatur interpretieren sollten, und am Ende ging es doch nur darum, eine bestimmte Lesart eines bestimmten Werks wiedergeben zu können. Ich fand immer schön, wenn ich meine Interpretation loswerden konnte, bei zeitgenössischen Büchern, für die es diese Interpretationsansätze und offiziellen Heftchen noch nicht gab.

Ja, das gibt einem eine Riesen-Energy, wenn man diese Freiheit spürt in der Betrachtung. Das ist, was Kant beschreibt. Wie prägt Deine DDR-Sozialisation Deine Vorstellung, ob Kunst politisch sein soll oder nicht?

Ich habe in der DDR gelebt, bis ich fünfzehn war, da gab es natürlich den sozialistischen Realismus als vorherrschendes Paradigma. Seit 89/90 befasse ich mich mit der Frage, was nach dem Stalinismus linkes Handeln ausmacht. Auch in Bezug auf das, was mich künstlerisch interessiert. Ich merke, dass dem propagandistisch Eindimensionalen der DDR in den letzten dreißig Jahren ein genauso eindimensionaler Blick auf die Kunst der DDR gefolgt ist. Das zeigt wie schwer es ist, die künstlerischen Produkte nicht mit den Verhältnissen zu identifizieren, sondern genau die Form der Auseinandersetzung mit diesen Verhältnissen zu sehen, die völlig unterschiedliche Wege gehen konnte. Also das, was diese Kunst eigentlich ausmacht. Da kann jemand wie Ronald Paris, oder Harald Metzkes, ein hochinteressanter Künstler sein. Interessant finde ich, dass an den Kunsthochschulen in der DDR das Handwerk sehr ordentlich gelehrt wurde.

Was ist Deine Vorstellung von Qualität, oder Schönheit?

Also, es ist ja nicht ganz falsch zu sagen: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Für mich können Dinge, die, würde ich eine Abstimmung darüber vornehmen lassen, womöglich als extrem hässlich eingestuft werden, eine hohe ästhetische Qualität mitbringen.

Ich frage natürlich deshalb, weil Schönheit in linken Diskursen nicht so eine Rolle spielt.

Es gibt für mich schon eine Schwierigkeit, eine nicht aus gesellschaftlichen Idealen folgende Schönheitsdefinition zu akzeptieren. Mir fällt es schwer, in einer Welt mit Multi-Krisenstatus irgendwo rumzusitzen und darüber nachzudenken, was allgemeingültige Maßstäbe für Schönheit sein sollen. Schön ist im Zweifelsfall das, was mich berührt. Vielleicht ist es sogar das Unangenehme, das jemanden wie mich heute antreibt, der im Vergleich zu ziemlich vielen anderen Menschen auf der Welt auf einer Insel der Seligen hockt.

Welche Rolle spielt Qualität, also Spitzenleistung, in der linken Kulturpolitik?

Es lohnt sich in linken Diskursen mal darüber zu reden: Was sind eigentlich Maßstäbe für Spitzenleistungen? War George Grosz ein großer Künstler, weil er auch politisch sehr wirkmächtig war? Ich würde sagen ja. Weil er politisch Position bezogen hat mit seiner Kunst? Ich würde sagen nein. Aber für Qualität gibt es schon Maßstäbe. Zum Beispiel den des Handwerklichen. In der Musik würde man sagen, es geht darum, die Klaviatur auch bespielen zu können. Die Fähigkeit, mit dem Gegenstand in einer Art und Weise umgehen zu können, die am Objekt und anhand künstlerischer Maßstäbe in der Kunstgeschichte geschult worden ist.

Würdest Du lieber möglichst viele Künstler fördern oder wenige, die Spitzenleistung bringen?

Ich würde lieber mehr Künstlerinnen und Künstler fördern als ich im Moment kann. Ich würde gerne für alle Menschen auf der Welt eine stabile Absicherung des Lebensunterhalts haben als die hiesigen sozialen Verhältnisse es hergeben. Ich würde aber über die Förde- rung von Kunst allein anhand der Kriterien der Kunst entscheiden wollen.

Wo findet sich dieser Anspruch, Kunst nach Kriterien der Kunst zu fördern, im Atelierförderprogramm wieder?

Im Augenblick überhaupt nicht. Das Arbeits- und Atelierraumprogramm ist mal als soziale Fördermaßnahme für sozial besonders benachteiligte Kunstschaffende entstanden, zu einer Zeit, in der das Finden von Räumen mit normalem Einkommen kein Thema war. Mein Ziel ist jetzt erstmal, mehr Infrastruktur bereitzustellen.

Andrea, was würdest Du sagen, wie Kulturpolitik die Qualität von Kunst messen kann?

Es sollten nicht die Kultursenatoren machen!

Das denke ich auch.

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    Omri Livne

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