Liebe JakobinerInnen, liebe linksliberale Langweiler, liebe entspannte Konservative, liebe Rechtsradikale, liebe Trans, liebe Frauen, liebe Männer, liebe Twinks, liebe Drags, liebe Millennials, liebe ArbeiterInnen, liebe Arbeitslose, liebe Kinder, liebe Künstler*innen,
Identität hat, wie die Kunst, viele Definitionen. In unserer vierten Ausgabe, die letzte in 2018, geht es um veraltete Identitätspolitik und die Alternativen ihrer Erneuerung. Um das Dilemma, mit oder ohne Obsessionen zu existieren, um das Gleichgewicht das man zwischen sich und den anderen zu finden sucht, und um die Frage ob mit alternativer Wissensproduktion und intimen Handlungen mit kollektivem Bewusstsein die Hegemonie des Ausdrucks, der Sprache und des Wissens zu überwinden ist.
Identitäten sind komplex und lassen sich noch unter große Kategorien wie Geschlecht, Klasse, Kultur, Glaube, Geld und Land einordnen, doch diese gestalten ihren gegenwärtigen und zukünftigen Status nur geringfügig. Chris Kraus denkt, dass Einverständnis Bullshit ist, und spricht mit Lene Vollhardt und Veronika Dräxler über weiche Körper und permeable Subjekte. Die poetischen Beiträge von Nicole Messenlehner, Lili Madras, Juju Guyver, Meenakshi Thirukode und Tálata Rodriguez wandern durch Straßen der Welt und hinterfragen die Modelle und Modi der sozialen Schichtung, in denen sich ihre Wege formen, öffnen, schließen und kreuzen.
Natascha Sadr Haghighian nennt sich selbst Natascha Süder Happelmann, da sie den Deutschen Pavillon der Biennale di Venezia im 2019 bespielt. Identität war auch ein Spiel der Hierarchien und Erwartungen bei der Pressekonferenz zur Ankündigung des Projektes. Das Transkript ist hier zu finden. Loren Britton spricht über künstlerische Darstellung, das Festhalten und die Transformation der Imagination.
Sarah Khans Kolumne über Berlin skizziert die Ambivalenzen der Transformation der Stadt in eine Oase des neoliberalen, hyperkapitalistischen Konsums. Filipe Lippe unterhält sich mit dem Aktivist*innen Kollektiv aus Sao Paulo über die Rechtsradikalisierung die das Gesicht von Bolsonaro nach den Präsidentschaftswahlen bekam. Reba Maybury teilt mit 'Ed’s Diner’ hier das erste Kapitel ihres Buches ‚Dining with Humpty Dumpty’, in dem sie Domination auf ihre Art neu definiert.
Während Narziß Samples halbfester Luxus-Kosmetik ausprobiert und seine eigene Haut und damit eine repräsentative Oberfläche des eigenen Ichs akribisch untersucht, sind die Geschenke dieser Ferienzeit wieder bis zum Rand mit Ungleichheit gefüllt. Johannes Paul Raether formt den sprachlichen, textuellen Kern aller psycho-realen Momente des Auftauchens seiner Serie von Alter-Egos, die transformellae, mit einem aktualisierten Plädoyer der transformierten Körper und Sprachinstrumente (language devices) mit dem Repro-kommunalen Manifest. Hannah Lühmann liefert den ultimativen ideologischen Psycho-test für die Holidays:
Welcher Ideologie-Typ bist du?
Das Bedürfnis zu der "besseren", der höheren / oberen / herrschenden Klasse zu gehören, wird von unseren einprogrammierten Commodity-Selfs gestillte in dem wir mit monetisierten Waren und Selbstverbesserung versuchen uns daran der wir uns zu beteiligen. Das lesen von Yelp-Reviews, Entscheidungen der herrschenden Klasse und ihren technologische Hilfsmittel zu überlassen gehört dazu. Dies lässt nicht nur Faschismus, Homophobie oder Xenophobie wachsen, sondern hält die Gesellschaft selbst in den kleinsten Rissen in Schach, indem der Kapitalismus die Taschen der Träume füllt, die eigentlich zu einem wirklich „besseren“ Ort führen könnten. Yvonne Zindel reflektiert über die Kampagne gegen Sexismus und plädiert für Gleichberechtigung in Arbeitsfeldern wie die von Candice Breitz geleitete #Pimmelsuppe Affäre, sowie über den Auslöser neuer Debatten um den Feminismus, wie #MeToo und #NotSurprised. Pilar Villela Mascaró war von Anfang nicht überrascht, und eigentlich empört, über das ganze Mitmachen der Public Shaming und hat im Sommer 2018 einen akkuraten Kommentar auf e-flux veröffentlicht, den wir hier auf Spanisch re-publizieren. Martina Schöggl fordert jede*n von uns auf lästig zu bleiben, um langfristig binäre Strukturen aufzubrechen.
Zwischen Verteidigung (Abgrenzung) und Selbstoffenheit, stellen wir uns, in diesem Rahmen, während wir verschiedene Arten von Feminismus erkunden, um den weißen und den neoliberalen zu zerlegen, stellen wir uns poetisch und real das ‚Wir‘ eines ‘Uns’, anstatt des ‚Wir’ des ‘Einen’ vor. In diesem ‚Wir’ finden sich auch Sternzeichen; Bob die Taube (hier als Frühjahr Kalender von Amalia Ulman für alle Leser*innen) und die schlecht organisierten Engeln, von den Alexander Kluge und Ben Lerner sprachen, zuerst für Paris Review, und danach für Spector Books, in der gemeinsam herausgegeben Lyrikausgabe ‚Schnee über Venedig‘ (Hier als Exzerpt).
Diese Ausgabe stellt mehrere Risse dar, die vom kapitalistischen System noch nicht gefüllt wurden, sondern von Menschen in Zentren und Peripherien, in sicheren Räumen, im Freien und in den Ferien gesehen. Auf ein solidarisches 2019!
with contributions by
Saâdane Afif, Astroportal, Loren Britton, Alexis Calvas, Katharina Enzensberger,Juju Guyver, Nicolas Hausdorf, Sarah Khan, Alexander Kluge & Ben Lerner, Filipe Lippe, Sarah Lehnerer, Hannah Lühmann, Lily Matras, Reba Marbury, Nicole Messenlehner, Transformella & Johannes Paul Raether, Mohammad Salemy & Patrick Schabus (Alphabet Collection), Martina Schöggl, A Sudo Wu, Natascha Süder Happelmann,
Pilar Villela Mascaró, Meenakshi Thirukode, Lene Vollhardt & Veronika Christine Dräxler(Permeable Subjects), Amalia Ulman, Yvonne Zindel
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