Die Küche ist unser Zufluchtsort. Hier sitzen wir, verstummt. Die Bilder, die sich Tag für Tag tief in unsere Netzhaut brennen, lagern sich ab – als Angstsedimente, die durch jede Pore drängen und sich in Schichten übereinanderlegen.
Der Tisch, an dem wir zusammenkommen – seit über einem Jahr, seit Ewigkeiten. Worte fehlen uns für das Entsetzen. Jeder Versuch, es zu benennen, endet im Scheitern.
„Beweg dich nicht“, raunt es. „Reg dich nicht.“
Sie wollen das Fleisch – ohne das Blut.
Wer sind sie, wer sind wir?
Wir – das sind die, deren Geschichten nicht erzählt werden dürfen. Sie – das sind jene, die entscheiden, welche Trauer politisch korrekt ist. Die, die glauben, man könne Schmerz kontrollieren, disziplinieren, einhegen.
Mein Baba hat einen neuen Mercedes. Er nennt ihn den Leopard.
Mit dem Herbst kommen Monate des Schweigens – ein Schweigen, das die Trauer erstickt.
Es ist keine bloße Abwesenheit von Klang. Kein Vakuum. Es ist ein dichter Nebel aus Ignoranz – schwer, bedrückend, erstickend.
Das Land, das sich rühmt, aus seiner Geschichte gelernt zu haben, stellt unsere Trauer unter Bedingungen. Bedingungen, die diktieren, wie wir weinen dürfen, was wir fühlen sollen und wo unser Schmerz enden muss.
Die Rhetorik der universellen Menschenrechte wird zur Maske.
Die alte Geschichte: moralische Überlegenheit behaupten und dabei unschuldig erscheinen, während Waffen geliefert werden.
„Wir haben Waffen geliefert, und wir werden Waffen liefern“, sagte er, ohne Luft zu holen.
Ein Jahr ist vergangen. Menschen brennen in Krankenhäusern. Unsere Gebete verstummen nicht.
Ich erinnere mich an den Tag, als ich zum ersten Mal wagte, die Absurdität laut auszusprechen. Ein einziger Atemzug – von so vielen gebraucht, doch aus Angst zurückgehalten. Der Satz brannte in meinem Hals, bevor ich ihn aussprach.
Was geschieht, wenn ein Land das Atmen verlernt?
Was, wenn das Luftanhalten die einzige Antwort auf den Schmerz bleibt?
Draußen versammeln sich Menschen für das Leben. Ihre Stimmen dringen durch die Fensterscheiben, während ich hinter dem Glas verharre – gefangen in der Bequemlichkeit der Isolation. Scham steigt in mir auf – nicht nur über das Schweigen, sondern über die Erschöpfung.
Diese Scham lässt mich zurückweichen.
Ist es heuchlerisch, eine Pause zu brauchen, wenn draußen die Welt brennt?
Ist Rückzug Verrat oder einfach ein letzter Versuch, durchzuatmen?
Mein Baba hat einen neuen Mercedes. Er nennt ihn den Tiger.
Die liberale Idee von Freiheit – ihre Idee – erschafft Räume der Sichtbarkeit für die Einen, während Andere systematisch aus dem Bild gedrängt werden.
Wir, Kinder von Neukölln, Kreuzberg und Wedding, tragen die Geschichten unserer Eltern und Großeltern in uns: von Ausbeutung und Vertreibung, Überleben und Verlust.
Erfahrungen, denen kein Raum für Trauer gewährt wird.
Wessen Leben ist es wert, betrauert zu werden?
Was macht das Schweigen mit unseren Körpern, unserem Atem, unseren Herzen?
Khobiza wächst in den Spalten des Betons.
Sie trotzt den Mauern, die uns vergessen lassenwollen.
So wie wir.
Wir, die wir uns weigern, ausgelöscht zu werden.
Diese Wurzeln erinnern uns daran, dass das Leben seinen Weg findet – selbst in der bittersten Erde.
Unsere Geschichten – wie Schatten auf unserem Rücken – erzählen vom Überleben. Vom Widerstand. Vertriebene Träume, die weiterleben in den unsichtbaren Räumen, die das System uns überließ. Sie flüstern in der Nacht, pulsieren mit unseren Schritten.
Mein Baba hat einen neuen Mercedes. Er nennt ihn den Löwen.
Wir träumen von einer Zukunft, in der Trauer kein Akt des Widerstands mehr ist.
In der wir nicht um das Recht kämpfen müssen, zu fühlen.
Eine Zukunft, in der Stimmen, die heute zum Schweigen gezwungen werden, die Geschichten von morgen erzählen dürfen.
Die Welt, gebaut auf den Rücken unserer Ahnen, wird eines Tages zerfallen.
Khobiza wächst in den Spalten des Betons.
Sie trotzt den Mauern, die uns vergessen lassen wollen.
Wurzeln, die das Leben in all seinen Wirklichkeiten feiern.
Baba fährt den Löwen nun seit zwanzig Jahren.
Ein neues Auto braucht er nicht mehr. Jetzt hat er Zeit.
Ein neues Terrain – nach über fünfzig Jahren: Arbeit, Arbeit, Arbeit.
Er betritt es vorsichtig, auf Zehenspitzen.
Er ruft mich an und fragt: „Wollen wir spazieren gehen und danach Knafeh essen?“
Knafeh ist sein liebstes Dessert.
Der Löwe fährt uns in den Wald. Die Sonnenstrahlen wärmen unsere Gesichter.
Wir setzen uns auf gefällte Baumstämme.
Unser gemeinsames Leben – nach all den Jahren des Kampfes, des Schweigens, der Arbeit – ist unser größter Widerstand.
Inmitten einer Welt voller Spannungen und Krieg ist dies das Wertvollste, was wir haben:
Zusammen sein.
Jetzt.
Hier.
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Collage on Canvas (detail), work in progress, Courtesy by Jamila Barakat (2025)