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Letters from Vendors

  • May 11 2025
  • Rico Zyrrano
    ist Autor und Verkäufer unserer Straßenzeitung.

Liebe Leser*innen,

Gerade hatte ich einen Verhaltensrückfall – aus dem ich gerade wieder auftauche. Einfach zu viel – verflixtes Polytoxikomanie!

Erstes unerwartetes Geschenk:

Mittelgroße Tasche aus der Schweiz oder aus Bayern: außen Lederstreifen mit einem Edelweiß-Print, innen das typische bayerische Weiß-Blau. Nur ein Reißverschluss oben. Darin befindlich:

  • Ketamin für 2 Personen × 2 Sitzungen
  • 2 eingerauchte, jedoch noch fast volle Glaspfeifen (schätzungsweise ½ MDMA ,½ Crystal Meth)
  • Eine Flasche Poppers „Extra Strong High Rise“, noch fast ⅔ voll
  • Ein Fläschchen „G“ (GBC oder GHB) mit Pipette und darauf eine Skala (ml)
  • Eine noch fast volle Dose Chlorethyl (wird in Krankenhäusern als Vereisungsspray genutzt)

Manche von uns Hirnwindungsreisenden wissen, dass es das Beste zum „Schnüffeln“ ist. Außerdem kann man hiermit sog. „Freie Base“ kochen (verfeinertes und verstärktes Crack – Vorsicht! – sogar Fixpunkt (der Verein) rät davon ab). Naja.

Zweites unerwartetes Geschenk:

Ein großer, noch verschlossener Beutel Sportlernahrung (Proteine, Vitamine, Mineralstoffe). „Vanilla“ die Geschmacksrichtung, Nutri-Score A. Cover: eine Blume (Kopf) mit Frauenkörper, die Unterarme gekreuzt, in jeder Hand eine Waffe (so wie ’ne Magnum), doch aus den Mündungen kommen Blumen.

In gewisser Weise war das zweite unerwartete Geschenk schon im ersten enthalten. Raten Sie mal, mit was nämlich ein Teil der Substanzen gestreckt war? Genau – nämlich mit diesem Zeug!

Und wie ich das herausgefunden habe?

Ich hatte die Tasche zwei Tage lang in Ruhe gelassen. Ich hatte Besseres zu tun – ich wartete nämlich auf ein Date. Außerdem übte ich zu dieser Zeit auch, nicht mehr so impulsiv zu sein. Ich wartete und wartete … und wartete. Doch sie kam nicht. Meine anfängliche Wut verdrängte ich sofort und versuchte auf dem Weg nach Hause, wieder innere Leere [1] zu empfinden. Vor mir lagen zwei Tage, die ich für sie freigeschaufelt hatte. Meine Erwartung eines sozialen Highs hatte mir eine Falle gestellt. Die Enttäuschung, die ich verdrängte, äußerte sich als nichts anderes als eben doch ein Impuls – die Falle schnappte zu, und ich öffnete den Reißverschluss der Tasche.

So fing ich an, die Substanzen zu testen. Erst mal abschmecken und Lupe. Das weiße Pulver war kristallin, und der Geschmack – klar! Dies ist Ketamin – definitiv!

Ketamin stellt eine Besonderheit dar – chemisch sowie in der Wirkungsweise [2]. Ich wollte gerne etwas davon teilen. Also habe ich mit meiner besten Freundin eine bescheidene Linie „K“ nasal konsumiert. Sie hat sich sehr gefreut: „Ah, wow! Anders als alles, was ich vorher kannte. Schön und aufregend.“ Doch ca. drei Minuten später war sie so entspannt, dass sie eingeschlafen war. Jedoch war ich nicht müde. Ich freute mich, dass das Special K nicht gepanscht war. Das hatte die*der Vorbesitzer*in heilig und rein gehalten.

So richtig schlimm wurde es erst danach. Wieder zurück bei mir – ohne meine Freundin – hat mich die Gier übermannt (verflixte alte Muster).

Es gab zwei Gefäße mit beigem Pulver. Der Inhalt wanderte in meinen Organismus (nasal).

Wie heimtückisch. Erst als ich es genommen hatte, merkte ich: Es war nur ein ganz kleines bisschen Heroin und ziemlich viel Speed sowie auch Crystal Meth – und die oben erwähnte Sportlernahrung. Ich denke, es wird „Resteverwertung“ gewesen sein, aber meiner Meinung nach nicht verkaufbar, wenn man sich noch in den Spiegel schauen möchte.

Mein Martyrium begann … (tbc.)

Euer Rico



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  • Footnotes

     

    [1] Die innere Leere des Zen-Buddhismus

    [2] Es ist zugleich ein Narkotikum, aber auch ein Psychedelikum (das Bewusstsein erweiternd und die Wahrnehmung verfremdend). Ungefähr so: Man ist körperlich voll betäubt. Dafür öffnet das „K“ Kanäle nach innen oder sogar nach außen (innen – Telepathie, außen – „Out-of-Body“-Erfahrung). Man kann auch Sex haben auf Ketamin, doch das erfordert Einiges an Übung.

     

    Image Caption:

    Cover: Rico's writing toolkit. 

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