“Im Zentrum all meines künstlerischen Tuns standen und stehen Menschen – zumeist im thematischen Kontext von „Begrenzungen“. Begrenzungen sind immer Auswirkungen der Unterdrückungsverhältnisse, in denen die überwiegende Mehrheit der Menschheit lebt. Begrenzungen oder Einschränkungen gibt es auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Bereichen: Dogmen und politische Machtverhältnisse fesseln die Selbstbestimmung. Verinnerlichte Unterdrückung betäubt das Wahrnehmungsvermögen und behindert die Fähigkeit, sich gegen Erniedrigung zur Wehr zu setzen. Diese Kette der Zusammenhänge ließe sich fortsetzen, ich könnte zahllose Beispiele aufführen.
Der Umgang mit Begrenzungen und das Reagieren auf Beschränkungen spiegeln die individuelle menschliche Vielfalt – von Hilflosigkeit, von Flucht in Magie bis hin zum zwanghaften Leben mit einer Maske.
Auf meinen Lebenswegen zwischen verschiedenen Kulturen – ob in meiner Heimat Ägypten oder in Deutschland, wo ich jetzt überwiegend lebe – war die Konfrontation mit Widersprüchen, mit notwendigen Kompromissen auch der Begrenzung, eine ständige Begleiterin. Diese Erfahrungen begründeten meine künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema „Verschmelzung und Begrenzung“ – die Gleichzeitigkeit von Logischem und Unlogischem, von Nacktheit und Verschleierung.
Kunst ist für mich immer die Reflektion meines Alltages, meines sozialen Umfeldes, meiner Wahrnehmung und meiner Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Prozessen.
Die Trennung von Staat und Religion, die Freiheit der Kunst und der Wissenschaft sowie die Gleichheit vor dem Gesetz – all diese liberalen und sozialen Werte gelten für mich als Inspirationen und gesellschaftliche Errungenschaften. Kunst ist für mich ein Mittel, Menschen miteinander zu verbinden. Sie wird von Menschen, für Menschen und über Menschen gemacht.
"Re-Connect"* war für mich eine sehr erfolgreiche Ausstellung und ich bin dankbar, ein Teil von ihr gewesen zu sein. Allerdings empfinde ich mich nicht als migrantische Künstlerin, da dieser Begriff für mich eher separierend als integrativ wirkt. Ich würde mir wünschen, dass die Diversität mehr der individuellen Bereicherung der Kunstwelt dient.
Frida Kahlo wurde in Mexico geboren und lebte teilweise in Frankreich, sie wurde nicht als migrantische Künstler*in beschrieben. Künstler*innen repräsentieren kein Land, keine Religion oder Rasse. Kunst repräsentiert ihre Glaubwürdigkeit nur gegenüber sich selbst und gegenüber der Menschheit.”
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*Re-Connect. Kunst und Kampf im Bruderland. 18.05. - 10.09.2023, Museum der bildenden Künste Leipzig
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Cover: Mona Ragy Enayat, Moderne Sklaverei, 2024
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